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FINPOD – Audiobeitrag 9: Dr. Andrew B. Denison im Interview mit Jens Kregeloh zu den transatlantischen Beziehungen.

Herzlich Willkommen zur neunten Audio-Ausgabe des FINPOD – dem Finanzen-Podcast der schutzinvest® zur Stärkung Ihres persönlichen Finanzfachwissens! Dr. Andrew B. Denison im Interview mit Jens Kregeloh zur Bedeutung der transatlantischen Wirtschaft insbesondere für Deutschland und Europa und zum aktuellen Stand der innertransatlantischen Beziehungen in Zeiten von Donald Trump.

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Darüber hinaus finden Sie alle FINPOD-Audiobeiträge auch auf Spotify, Deezer, YouTube und in ITunes. Sie sehen: Die Zugangswege sind vielfältig, wählen Sie einfach für sich den für Sie angenehmsten aus. Somit also können Sie die Beiträge anhören wann und wo immer Sie es möchten. Sei es bspw. bei der Haus- oder Gartenarbeit, während einer Autofahrt, beim Sport oder Einkaufen, oder, oder, oder. Ganz wie Sie es mögen!

Nun aber zur neunten Folge, die wir am 11.07.2019 in Königswinter aufgezeichnet haben und welche zugleich die vierte Interview-Ausgabe des FINPODs ist.

Diejenigen von Ihnen, die schon bisherige Folgen der FINPOD-Interviewreihe gehört haben, wissen, dass ich zwar eher selten Interviews führe, dann aber mit aus meiner Sicht umso interessanteren Persönlichkeiten. Daher war es mir eine besondere Freude und Ehre, für Sie das Gespräch zu führen mit Dr. Andrew B. Denison.

Dr. Denison absolvierte seinen Doctor of Philosophy an der Nitze School of Advanced International Studies der Johns Hopkins University in Washington D.C., seinen Magister an der Universität Hamburg und seinen “Bachelor of Arts” an der University of Wyoming. Anschließend folgten verschiedene Tätigkeiten bspw. als Autor und Wissenschaftler für das Institut für Strategische Analysen in Bonn oder als Leiter verschiedener Seminare unter Karl Kaiser. Seit dem Jahr 2000 ist Dr. Denison nun als Direktor von Transatlantic Networks, einem Zentrum für politische Beratung und Bildung in Königswinter, tätig.

Dr. Andrew Denison und schutzinvest® Gründer Jens Kregeloh möchten künftig für Sie wiederkehrend die transatlantische Nachrichtenlage analysieren. Dabei übernimmt Dr. Denison vorwiegend die politökonomische Einordnung und Jens Kregeloh die finanzwirtschaftliche Einordnung, wenngleich die Grenzen hier natürlich fließend sind. Und während Jens Kregeloh möglicherweise die Rolle des eher typisch-deutschen „Bedenkenträgers“ einnimmt ist als Gegengewicht umso mehr die grundsätzliche Zuversicht von Herrn Dr. Denison was das Vertrauen in zukünftige Entwicklungen angeht zu schätzen.

In unserem ersten gemeinsamen Podcast sprechen wir gewissermaßen als künftige Arbeitsgrundlage insbesondere

Wir wünschen Ihnen wertvolle Erkenntnisse! Unten nachfolgend finden Sie eine vollständige Mitschrift des Interviews zum Nachlesen. Es gilt das gesprochene Wort.

Hallo und herzlich willkommen zur neunten Ausgabe des Finpod, dem Finanzenpodcast der schutzinvest, die zugleich die vierte Ausgabe der Finpod-Interviewreihe ist.

Mein Name ist Jens Kregeloh und die heutige Ausgabe haben wir am 11. Juli 2019 aufgezeichnet. Diejenigen von Ihnen, die schon bisherige Folgen der Finpod-Interviewreihe gehört haben, wissen, dass ich zwar eher selten Interviews führe dann aber mit umso interessanteren Persönlichkeiten. Daher ist es mir heute eine besondere Freude und Ehre, für Sie das Gespräch zu führen mit Dr. Andrew Denison. Dr. Andrew B. Denison, Jahrgang 1962, absolvierte seinen Doctor of Philosophy an der Nietze School of Advanced International Studies der Johns Hopkins University in Washington DC, seinen Magister an der Universität Hamburg, und seinen Bachelor of Arts an der University of Wyoming.

Anschließend folgten verschiedene Tätigkeiten, beispielsweise als Autor und Wissenschaftler für das Institut für strategische Analysen in Bonn oder als Leiter verschiedener Seminare unter Karl Kaiser. Seit dem Jahr 2000 ist Dr. Denison nun als Direktor von Transatlantic Networks, einem Zentrum für politische Beratung und Bildung in Königswinter tätig. Einige Worte noch zu seinem Bildungsweg: Die Eliteuniversität Johns Hopkins University wurde 1876 als erste Universität in den Vereinigten Staaten gegründet, die Forschung und Lehre nach dem Vorbild deutscher Universitäten vereinte. Insgesamt sind mit der Universität bis dato 37 Nobelpreisträger verbunden. Die Universität wird in den gängigen internationalen Hochschulrankings den zehn besten Universitäten der Welt zugerechnet und nimmt eine führende Rolle in zentralen Bereichen wie unter anderen eben auch Internationaler Politik ein.

Sie liegt an dritter Stelle der meistzitierten Forschungsinstitutionen weltweit. Die Paul H. Nietze School of Advanced International Studies (als eine Graduate School für internationale Politik und Wirtschaftswissenschaften der Johns Hopkins University) wiederum gilt als einer der führenden Einrichtung ihrer Art in den USA. Die Zeitschrift „Foreign Policy“ hat sie in ihrem weltweiten Ranking im Jahr 2015 auf den zweiten Platz aller Master-Studiengänge im Bereich Internationale Beziehungen aufgeführt. Hinter der Georgetown University, aber noch vor den Eliteuniversitäten Harvard und Princeton. Zu den bekanntesten Absolventen gehören neben Dr. Denison beispielsweise auch Madeleine Albright und mehr als 130 Absolventen, die weltweit zu Botschaftern berufen wurden.

Doch nun zur heutigen Finpd-Folge. Dr. Denison und ich haben zusammengefunden, weil ich mich nicht erst aber vor allem seit Präsident Trump um die transatlantischen Beziehungen sorge. Nachdem ich die Expertise und Meinung von Dr. Denison durch diverse Fernsehinterviews kennen und schätzen lernte, tauschten wir uns in Königswinter persönlich über eine seiner wesentlichen Erkenntnisse aus. Nämlich die Erkenntnis der Bedeutung des transatlantischen Friedens für den globalen Frieden, der transatlantischen Freiheit für die globale Freiheit und des transatlantischen Wohlstands für den globalen Wohlstand. Und deswegen heißt das Motto seiner Transatlantic Networks auch: „A pax atlantica for a pax humana.“

Was möchten wir also mit diesem und kommenden Podcasts für Sie tun? Nun, wir analysieren für Sie die Transatlantische Nachrichtenlage. Denn immer wenn hier etwas Bedeutsames geschieht, hat das sowohl politische Konsequenzen als auch immer Auswirkungen auf das Wirtschaftsgeschehen und beispielsweise auf die Entwicklung der Börsenkurse. Um nur zwei plakative Beispiele hierfür zu benennen: Ein Konflikt wie beispielsweise der der Vereinigten Staaten mit dem Iran führt immer auch kurzfristig zu steigenden Ölpreisen, welche wiederum negative Auswirkungen auf die allermeisten produzierenden Unternehmen und damit die gesamte Realwirtschaft haben. Oder: Ein Handelsstreit wie der zwischen USA und China betrifft immer auch andere exportorientierte Nationen wie beispielsweise Deutschland und hat direkte Auswirkungen auf die Auftrags- und Ertragslage der entsprechenden Unternehmen.

Beide genannten Beispiele wiederum führen deshalb auch sofort zu mitunter starken Börsenschwankungen die ihrerseits Einfluss auf das Verhalten von Kapitalanlegern nehmen. Grund genug also, regelmäßig die transatlantische Nachrichtenlage zu analysieren. Dabei übernimmt Dr. Denison vorwiegend die politökonomische Einordnung und ich die finanzwirtschaftliche Einordnung (wenngleich die Grenzen hier natürlich fließend sind). Und während ich möglicherweise eher „typisch deutscher Bedenkenträger“ bin schätze ich als Gegengewicht umso mehr die grundsätzliche Zuversicht von Herrn Dr. Denison, was das Vertrauen in zukünftige Entwicklungen angeht.

Als Einstieg in unseren gemeinsamen Austausch möchte ich Herrn Dr. Dension heute einige Fragen stellen zu den gerade frisch erschienenen Ergebnissen der jährlichen Umfrage „Die Transatlantische Wirtschaft“. Diese wird von einem Doktorkollegen Andrew Densions, nämlich Daniel Hamilton, ebenfalls von der School of Advanced International Studies publiziert.

Kregeloh:

Herr Dr. Denison, wenn wir auf die letzten Wochen und Monate zurückblicken, steht wirtschaftspolitisch sowohl mit Blick auf die transatlantischen Beziehungen, aber auch mit Blick auf die Handelsbeziehungen weltweit kaum etwas so sehr im Fokus des Wirtschaftsgeschehens wie die Handelsstreitigkeiten der USA vor allem mit China, nicht zu vergessen aber auch mit Europa und diversen einzelnen Ländern. Die Börsenkurse weltweit gleichen währenddessen einer Fieberkurve des Verlaufs genau dieser Streitigkeiten und diverse große, exportorientierte Unternehmen auch und gerade in Deutschland sprechen eine Gewinnwarnung nach der anderen aus. Siehe BASF vor wenigen Tagen, die vor einem um 30% verringerten Gewinn warnten.

In der eingangs erwähnten Umfrage „The Transatlantic Economy 2019 Annual Survey“ aber lese ich, dass die USA und Europa weiterhin füreinander die wichtigsten Märkte sind und dass die transatlantische Wirtschaft Handelsumsätze in Höhe von 5500 Milliarden Dollar generiert, sowie 16 Millionen Arbeiter und Angestellte in Beschäftigung bringt. Wie passt es für Sie zusammen, Herr Dr. Denison, dass Donald Trump trotz dieser Zahlen, trotz dieser Erfolgsstory, in Sachen Handelsstreit auch mit Europa aneinanderrasselt?

Denison:

Also erst müssen wir noch mal feststellen, dass diese transatlantische Wirtschaft von Investition und Handel Kern und Motor der globalen Wirtschaft ist. Für Deutschland manchmal Wachstumsmärkte in Entwicklungsländern wie China aber grundsätzlich wird in Amerika Geld verdient, auch unter der Donald Trump. Jetzt die Frage: warum kann Donald Trump sich es leisten, diese Handelsbeziehungen zu kritisieren, oder warum tut er das?

Ich würde sagen es ist relativ einfach: Erstens, weil er das kann. Warum kann er diese Handelsbeziehungen so kritisieren? Weil was auch immer er sagt: die gegenseitigen Verflechtungen sind so tief, dass er die nicht mit ein paar Wörtern beenden kann. Er kann vielleicht die Aktienmärkte leicht beeinflussen, aber die Leute, die die Wertschöpfungsketten über den Atlantik kennen, die wissen: Das kann man nicht mit ein paar harten Wörtern und selbst mit ein paar Zöllen nicht einfach beenden.

Zweitens: natürlich tut er das, weil er hat im Wahlkampf gesagt, er geht gegen eine ungerechte Geschäftsgrundlage vor. Und nicht nur mit Asien und auch mit Mexiko, sondern auch mit Europa. Weil: Europa sieht man auf den Straßen Amerikas, VW und BMW und sonstige Sachen. Und daher ist es ein Leichtes, ein Feindbild aufzustellen und er hat das im Wahlkampf gesagt, dass er gegen alle vorgehen würde. Also geht er auch gegen Europa vor. Es ist auch so, dass er weiß, dass seine Wähler auch wissen: Europa hat hier mehr zu verlieren als Amerika. Und daher kann er diesen Druck ausnutzen, diese Bedrohung.

Aber am Ende müssen wir erkennen: er kann gegen diese transatlantische Wirtschaftsbeziehung schimpfen, aber es ist fast unmöglich für ihn, diese stark zu beeinträchtigen. Von Jahr zu Jahr wachsen diese Wertschöpfungsketten über den Atlantik trotzt Trump.

Kregeloh:

Das haben diese Zahlen aus dieser Studie eindrucksvoll gezeigt: Wir sprechen da nämlich in Bezug auf die transatlantischen Beziehungen vom größten und wohlhabendsten Mark der Welt, der gemessen an der Kaufkraft für ein Drittel des weltweiten Bruttosozialprodukts und die Hälfte des weltweiten privaten Konsums steht. Dann: vielleicht noch wichtiger als die die Handelsvolumen sind die ausländischen Direktinvestitionen (weil diese das eigentliche Rückgrat der transatlantischen Wirtschaft bilden).

Und so machte zwar der gegenseitige Handel 27% der weltweiten Exporte und 32% der globalen Importe aus. Aber die USA und Europa stehen gemeinsam für beachtliche 60% der weltweiten ausländischen Direktinvestitionen miteinander. Mehr noch: die USA haben den größten Anteil der Auslandsinvestitionen in Europa und Europa hat den größten Anteil an den Investitionen, welche die USA aus dem Ausland erhalten. Europäische Tochtergesellschaften in den USA sind für 52% der 370 Milliarden Dollar umfassenden Exporte der USA verantwortlich, und die Handelsumsätze von US-Tochtergesellschaften in Europa sind mit 3 Billionen Dollar größer als der gesamte Export vom Gebiet der USA in die Welt.

Um noch eins draufzusetzen: 60% der US-Importe aus Europa und sogar fast 70% der US-Importe aus Deutschland stammen aus innerbetrieblichem Handel von ausländischen Tochtergesellschaften mit ihren inländischen Muttergesellschaften. Also wenn man das so liest gebe ich Ihnen natürlich auch mit ihrer Analyse gerade ja, muss ich ja, mehr als Recht geben, trotzdem: geht es dabei eigentlich noch nur um´s Geld, weshalb Trump so auftritt, wie er jetzt auftritt? Frei nach dem Motto „It’s the economy stupid!“, oder müssten aus derart starken Verflechtung nicht längst – ja auch stabile menschliche und soziale Beziehungen erwachsen sein, die ein Auftreten wie das von Trump unnötig scheinen lassen müssen und mehr noch: sind die nicht trotzdem in Gefahr, jetzt durch Trump massiv geschädigt zu werden?

Denison:

Ja, also da stellen wir uns die Frage: wie wird denn dieses Geld verdient, wie wird wertgeschöpft? Und wir haben in dieser wichtigen Studie gesehen, dass Containerhandel zwischen Bremerhaven und Baltimore, das ist nur die Spitze des Eisbergs. Dass die großen Einnahmen kommen durch Arbeit von Tochtergesellschaften im Ausland. Und hier ist natürlich auch die Zusammenarbeit der Aufsichtsräte viel enger, viel dichter und das erinnert uns daran, dass stabile menschliche und soziale Beziehungen wichtig sind, um gemeinsam Wert zu schöpfen, wichtig sind, um einander zu vertrauen.

Und diese Vertrauensbasis existiert über den Atlantik in all den abermillionen Partnerschaften. Die wir sehen nicht nur im Wirtschaftsbereich, auch in Wissenschaft und Kultur, in Philanthropie, ja diese transatlantischen Netzwerke, die sind nicht so leicht kaputt zu machen. Natürlich, ich mache mir Sorgen über Donald Trump wenn er das, was ich für sehr wichtig halte so beschimpft und so zertritt. Und ich weiß, das macht er, weil er so ein Darstellungskünstler ist ohnegleichen. Aber ich mache mir auch Sorgen wenn Hunderttausende in Deutschland demonstrieren gegen transatlantischen Handel und Investitionsvereinbarungen, gegen TTIP. Das ist auch ein Angriff gegen diesen freien Handel.

Auch manche Politiker in Europa wettern gegen Google und Amazon und Facebook und das ist ein Problem auch das uns daran erinnert: Es ist nicht nur Donald Trump, der dieses Wertschöpfen, gemeinsame Wertschöpfen (und ich denke auf gemeinsamen Werten basiert das), es ist nicht nur Donald Trump, der das bedroht. Und vielleicht noch ein letzter Punkt: die wirklichen Verwundbarkeiten sind nicht die Amazons und die Googles denke ich, sondern ist es im Bereich der Cybersicherheit und die Innovation in diesem Bereich. Der Datendiebstahl geistigen Eigentums, ja, was da weggenommen wird aus Deutschland, das ist auch ein großer Zahl und viel zu wenig wird darauf konzentriert.

Kregeloh:

Ja, ich habe Präsident Trump jetzt nicht unbedingt davon reden hören, dass wir mehr in Cybersicherheit investieren sollen, aber das Thema Sicherheit spielt ja noch auf einer ganz anderen Ebene eine Rolle. Damit möchte ich mal kurz auf das US-Handelsdefizit zu sprechen kommen, um dann überzuleiten auf das Thema „Nationale Sicherheit“ in ganz anderen Fragen als Cyberfragen: Die US-Warenexporte in die EU sind zweimal so hoch wie die US-Warenexporte nach China, aber das US-Handelsdefizit mit China ist zweieinhalb Mal so hoch wie das US-Handelsdefizit mit der EU. Jetzt sind die meisten ausländischen Arbeiter, die für US Firmen im Ausland arbeiten, Europäer, die meisten ausländischen Arbeitnehmer, die für EU-Firmen außerhalb der EU arbeiten US-Amerikaner. Insgesamt arbeiten 9,4 Millionen Arbeitnehmer für Auslandstöchter von US- und EU-Firmen. Und damit auf die Automobilindustrie, die hierzulande ja wichtig ist: europäische Automobilhersteller haben einen Anteil von 25% der gesamten US-Automobilproduktion und 60% der in den USA produzierten europäischen Autos gehen in den weltweiten Export.

Und noch konkreter mit Blick auf Deutschland: Deutsche Automobilhersteller produzieren in den USA mehr Autos als sie aus Deutschland in die USA importieren. Herr Dr. Denison, wie kommt dann Präsident Trump, und jetzt sind wir bei dem Thema nochmal „Sicherheit“, Ihrer Ansicht nach auf die Idee, untersuchen zu lassen, ob der Import beispielsweise deutscher Automobile die Nationale Sicherheit bedrohe?

Um das vorweg zu schicken: die angebliche „Bedrohung der Nationalen Sicherheit“ benennt er natürlich deshalb, weil er damit den US-Kongress umgehen und eigenmächtig Strafzölle verhängen könnte. Aber ist das der einzige Grund oder sieht er tatsächlich eine Bedrohung der Nationalen Sicherheit?

Denison:

Tja, eine Bedrohung der nationalen Sicherheit… also erstens muss man feststellen, dass das Beste in Amerika immer ein bisschen „Made in Germany“ dabei hat. Dass die Deutschen in Amerika mit diesen Produktionswerken Geld verdienen können sagt etwas aus über die Beziehung zwischen Deutschland und Amerika. Jetzt: warum kann Trump dann plötzlich von Nationaler Sicherheit sprechen, wenn er das Einführen von deutschen Autos verhindern will? Ich würde sagen, erstens: Weil er das kann. Ja, er kann und damit zeigt er auch, dass er durchgreifen will, dass er eben zu Mitteln greift, die andere nicht benutzt haben. So wirklich ein bisschen übertreiben, was seine Methode ist. Es sorgt für Verwirrung in den Schlagzeilen und ich denke am Ende, dass dann auch die Deutschen wenigstens symbolisch etwas nachgeben müssen, weil sie wissen, wer am Ende mehr hier zu verlieren hat und sie wissen vor allem, dass Trump und seine Leute das wissen. Also eine symbolische Konzession. Ich denke das kann man von den Deutschen erwarten, auch weil sie sich ein bisschen noch schämen wegen dieses Abgas-Skandals. Und es ist besser auf der guten Seite der Amerikaner zu sein.

Jetzt Angela Merkel hat bei der Münchner Sicherheitskonferenz diese Frage der Sicherheitsbedrohung durch deutsche Autos eine Lachnummer gemacht. Sie hat gersagt: ist das ja nicht verrückt, dass die Amerikaner das als sicherheitspolitische Kategorie sehen? Ich finde es ist sehr wichtig, dass man in Deutschland die Amerikaner in ihren Betonungen der sicherheitspolitischen Natur dieser Beziehung ernst nimmt. Das ist nicht zuerst eine Wirtschaftsbeziehung die existiert zwischen Amerika und Deutschland, sondern zuerst ist es eine sicherheitspolitische.

Die Amerikaner sorgen für den nuklearen Schutzschirm Deutschlands und was Deutschland macht ist von größter Bedeutung für Amerika. Und wenn wir über Deutschland und seine Autos reden können wir über Sicherheit reden, weil alle Amerikaner wissen, dass Deutschland von amerikanischen Nukleargarantien profitiert.

Kregeloh:

Ja aber wodurch wäre dann diese Sicherheit gefährdet? Die nationale Sicherheit der USA mit mehr oder weniger Autoimporten Deutschlands?

Denison:

Genau, ich meine natürlich das war gedacht für Feinde und es ist ein bisschen verrückt, dass unsere guten Freunde Deutschland jetzt hier im Fadenkreuz stehen. Aber: Es ist doch, dass man sagen könnte, solange die Deutschen ihre Rüstungsausgaben nicht erhöhen werden wir keine Autos von denen kaufen und das hat mit unserer nationalen Sicherheit zu tun.

Kregeloh:

War denn das die Begründung von Trump? Das habe ich so nicht eingeordnet.

Trump:

Nicht so, es ist angedeutet, aber Technologie und technologieabhängig und am Ende können wir aber diese Karte auch spielen, das weiß man auch in Deutschland.

Kregeloh:

Also meint er es tatsächlich so und es nicht ein Winkelzug, um den Kongress zu umgehen, sondern er meint es so, oder…?

Denison:

Ja, es ist natürlich auch ein Winkelzug, aber warum ist dieser Winkelzüge wichtig? Es gibt seiner Bedrohung Glaubwürdigkeit, es verunsichert die Deutschen mehr. Er könnte das nutzen, diese Ultima-ratio. Ich denke Trump – wir haben immer wieder gesehen, wie er bedroht und dann zurückschreckt. Und dann sagt „Ich bin der, der den Kompromiss gefunden hat!“, obwohl er die Krise selbst am Anfang angezettelt hat.

Kregeloh:

Ist das clever oder ist es Zufall? Also ich meine: ist das geplant, ist er ein kluger Stratege?

Denison:

Ich meine der ist der Darstellungskünstler ohnegleichen und man kann… Lincoln sagte „Es gibt Leute die man immer reinlegen kann, es gibt Leute die man manchmal reinlegen kann, aber man kann nie alle Leute immer reinlegen.“ Was ich damit sagen will ist, dass Amerikaner merken auch, dass sie ein bisschen über den Tisch gezogen werden mit Trump und hören auf, ihn ernst zu nehmen. Und vor allem seine Ziele, seine Politik: er hat da sehr, sehr wenig erreicht und am Ende des Tages glaube ich, dass man merken wird: seine Methode ist taktisch schlau, aber strategisch unterminiert sie seine Glaubwürdigkeit und das wird ihm langfristig schaden.

Kregeloh:

Nimmt man das irgendwie schon wahr -in der deutschen Öffentlichkeit denke ich eher nicht-, dass so ein, ich nenne es mal „Umdenken“ in Amerika stattfindet? Gibt es aktuelle Umfragen, die zeigen „Mensch, da regt sich etwas wegen der Politik von Donald Trump“?

Denison:

Ich bin einer, der glaubt in der Politik wie in der Physik: es gibt immer Aktion und Reaktion. Und gerade im Bereich der Zustimmung der Amerikaner für internationalen Handel, für Freihandel und Globalisierung, da sehen wir in neuen Meinungsumfragen, dass die Amerikaner in der Mehrheit gegen Trump und seine Politik reagieren: Das heißt, dass in den letzten zwei Jahren sind mehr Amerikaner für internationales Engagement für offene Märkte, und auch für NATO und Solidarität mit den Europäern, als vor zwei Jahren Chicago Council on Foreign Relations hat diese Meinungsumfrage rausgegeben. Und es zeigt: die Amerikaner kennen, wo ihre Interessen sind und das, was Trump sagt, ist nicht immer das letzte Wort.

Kregeloh:

Das klingt ja, also auch wieder aus deutscher Sicht, durchaus vielversprechend. Weil bisher, auch vor unserem Gespräch, habe ich eher so wahrgenommen, oder geglaubt so wahrzunehmen, dass ja die Signale aus Amerika die sind, dass Trump wahrscheinlich eine zweite Amtszeit erlebt. Und dann eben aus drei wesentlichen Gründen: Erstens, weil immer noch eine Vielzahl von Amerikanern die in unterdurchschnittlichen finanziellen Verhältnissen leben seinen Versprechungen glauben. Zweitens mangels eines geeigneten Gegenkandidaten, ich glaube der wird ja gerade versucht gefunden zu werden auf Seiten der Demokraten und drittens wegen der US- Wahlmännersystematik, die ja dazu führt, dass Kandidaten zum Bespiel trotz eines Vorsprungs von zwei oder drei Millionen abgegebenen Wählerstimmen wie zuletzt bei Hillary Clinton dennoch eine Wahl verlieren können.

Ja, wie sehen Sie das, jetzt auch nach den aktuellen Umfragen, die Sie gerade zitiert haben? Wird es eine zweite Amtszeit von Trump geben und unabhängig von Ihrem „ja“ oder „nein“: Aus welchen Gründen Ihre Bewertung nach?

Denison:

Ich glaube es wird keine zweite Trump-Amtszeit geben, weil ich an dieses Gesetz der Aktion und Reaktion in der Politik glaube. Und so sehr Trump ein Reaktion auf Obama war und Obama auf Bush und Bush auf Clinton, so wird die Reaktion auf Donald Trump auch gewaltig sein. Und eher jetzt als erst in vier Jahren. Donald Trump ist gewählt mit fast drei Millionen weniger Stimmen als Hillary Clinton 2016.

Bei den Zwischenwahlen, wo Amerikaner abstimmen gegangen sind in sehr großen Zahlen, haben die Demokraten zehn Millionen mehr Stimmen bekommen als die Republikaner. Und diese Energie ist auch jetzt noch zu sehen in der Art, wie die Demokraten sich organisieren. Auch wie sie weiße Frauen zum Beispiel von der Trump-Koalition versuchen wegzubringen. Ich denke, dass dieser Streit unter den demokratischen Kandidaten zur Zeit gut ist. Es ist nicht zu erwarten, dass so früh eine klare Alternative dasteht. Und wenn -wie Hillary Clinton 2016-, ist es nicht immer gut.

Was gut ist, ist Streit. Weil durch diesen Streit unter den demokratischen Kandidaten für die demokratische Nominierung werden Schlagzeilen erzeugt und Trump wird es schwierig haben, da selbst im Rampenlicht zu bleiben. In dem Sinne das stärkt die Demokraten. Jetzt: kommt es dazu, dass Trum doch wieder gewinnt, hat es damit zu tun, dass bevölkerungsarme Bundesstaaten in Amerika -oft sehr konservativ wie Wyoming wo ich herkomme-, viel mehr Gewicht haben in der Entscheidung, wer Präsident wird und wer nicht. Ein Demokrat braucht mehr als 50 Prozent, Trump hat es mit 45% geschafft. Aber die Mehrheit der Amerikaner sind gegen Trump und waren immer gegen Trump. Er hat nie über 50% gehabt. Und ich denke: diese Leute, ihre Interessen kommen zu tragen und wenn Trump doch gewinnt dann wird er einfach im Weißen Haus isoliert und sehr machtlos sein.

Weil alle anderen werden gegen ihn sein. Und das Brillante am amerikanischen System, die Gründungsväter wussten: manchmal kann man ein Problem im Weißen Haus haben. Aber es gibt dann einen starken Kongress, starke Gerichte, starke Bundesstaaten und heute starke Großstädte und die können es sich leisten, nicht immer all das zu machen, was aus dem Weißen Haus befohlen wird.

Kregeloh:

Ist denn, ja zu erwarten, dass es wirklich zu einem dann -selbst wenn er eine zweite Amtszeit hätte-, dass er umdenken muss, um seine Politik umzusetzen? Oder ist es wie jetzt, zumindest wahrgenommen wieder, dass sie sich gegenseitig blockieren? Kongress und Senat und Trump – und dann eher nichts stattfindet oder sogar ein Government Shtudown dann wieder droht? Wo nehmen Sie, also selbst wenn es denn eine zweite Amtszeit gibt, die Hoffnung her, dass er dann anders agieren muss, wenn´s womöglich die gleiche Pattsituation ist wie jetzt?

Denison:

Also wir haben das Glück dass Donald Trump bis jetzt keinen wirklichen Schaden angerichtet hat. Und das ist vielleicht die Überraschung. Wir denken an 9/11 und dann Afghanistan und Irak. Das hat Schaden angerichtet. Wir denken an die Wirtschaftskrise 2008/2009, dann an den Sturz des Euros. Oder auch die Flüchtlingskrise, das war ein Problem. Selbst ISIS ein Problem, aber Obama hat da die Strategie entwickelt und Trump hat den einfach durchgeführt und macht das immer noch.

Iran – ich sehe da auch Kontinuität, weil Obama hatte es sehr schwer, seinen Iran-Vertrag durch den Kongress zu kriegen und da war immer schon Kritik auch vor Iran und Syrien entwickelt. Also lange Rede kurzer Sinn: bis jetzt hat Trump wirklich keine Katastrophen verursacht. Ich sage oft: die Präsidenten Amerikas die kommen und gehen, aber die Interessen und Institutionen die bleiben bestehen.

Und Amerika wird nicht von einem Präsidenten zur Supermacht gemacht und es wird nicht von einem Präsidenten zerstört, außer es gibt einen furchtbaren Krieg. Aber das, Gott sei Dank, kann Trump allein nicht entscheiden. In dem Sinne: ich bleibe optimistisch, dass Amerika diesem Präsident gewachsen ist und ich würde vielleicht sogar sagen, dass in der Art, wie Amerika auf Trump reagiert, die Alternativen sucht, auch die Antidoten zu seiner Angst und seinen Sündenböcken und all das. Das  wird für die ganze Welt wichtig sein. Denn die ganze Welt geht durch diese Globalisierungskrise, die nationale Identitätskrise, genau wie Amerika und wir müssen alle einen Weg finden in der Zukunft, wo wir alle viel mehr abhängig werden voneinander als heute.

Kregeloh:

Ja, diese Abhängigkeiten sind´s ja, die wahrscheinlich dann auch irgendwo wieder Mut machen und, wenn ich auch eingangs erwähnte, dass ich da vielleicht eher der typisch deutsche Bedenkenträger bin, sehe ich da aber auch die Gefahr, dass eben trotz Allem möglicherweise Präsident Trump so viel Schaden anrichtet, dass der Scherbenhaufen doch so groß ist, dass er nicht mehr zusammengekehrt werden kann. Woher nehmen Sie die positive Zuversicht, dass es anders kommt? Sind das diese stabilen Beziehungen die einfach auf der persönlichen Ebene bestehen von den Menschen die da auch transatlantisch zusammen agieren und die dann sagen „ja komm, Trump wird kommen und gehen, davon lassen wir uns nicht beirren?

Denison:

Ich bin wirklich der Meinung Präsidenten kommen und gehen, Interessen und Institutionen bleiben bestehen. Und für Amerika gibt es kein Interesse was wichtiger ist, als das das Weiterbestehen von Frieden und Freiheit und Wohlstand in Europa.

Kregeloh:

Das ist wieder so eine Frage: Weiß das Trump und agiert trotzdem so, oder weiß er das alles nicht und ist er eben diplomatisch auch nicht ausgebildet und hat vielleicht, was ja immer kolportiert wird, möglicherweise eine schlechte Allgemeinbildung und weiß es doch nicht und agiert deshalb so wie er agiert?

Denison:

Trump: wenn man ihm wirklich zuhört und nicht nur zitiert mitbekommt, sagt er oft „Dieses Bündnis ist furchtbar und keiner macht irgendwas und es ist obsolet. Aber außer dem ist es mir noch sehr wichtig.“ Aber das will man dann nicht sagen. Er ist mehr als bereit, diplomatische Konventionen zu brechen und die Pietäten der anderen zu treffen, wo sie am verwundbarsten sind, weil sie wissen selbst dass sie da auch in Bringschuld sind. Gerade diese Frage mit Deutschland und ob Deutschland ein Trittbrettfahrer ist, oder nicht: das hat Trump nicht erfunden. Aber er hat besser als alle Anderen gewusst, daraus Schlagzeilen zu machen.

Kregeloh:

Ist denn dieses Verhalten nicht doch irgendwie persönlich zu nehmen, beispielsweise ich habe da diese Gipfel-Bilder im Kopf, wo er -einen Kollegen nenne ich es mal- wegstößt, um sich in den Vordergrund zu drängen: Ist auch das in dem Versuch „Ich will auch in den Bildern der Öffentlichkeit irgendwie als dominanter Mensch dastehen.“ oder ist er einfach auch so ungehobelt und unhöflich oder wie immer man es nennen will?

Denison:

Ja es ist schwierig zu wissen was in Trumps Kopf los ist. Man muss aber versuchen. Nur: Amerika besteht nicht nur aus Trump, es sind auch natürlich viele andere Machtzentren in Amerika, die man aus Deutschland im Auge haben muss. Aber grundsätzlich hab ich Vertrauen, dass Amerika, diese Gesellschaft, Wirtschaft dieser Staat, hat kein anderes Interesse was wichtiger ist als Frieden, Freiheit und Wohlstand in Europa. Und darauf kann man sich verlassen, auch in Trumps Amerika. Die Frage ist aber, ob Amerika sich auf die Europäer verlassen kann, wirklich Solidarität zu zeigen. Und da, wenn es ein Gefahr gibt, sehe ich die hier. Donald Trump ist auch gewählt worden, weil viele haben ihm halt geglaubt, dass er eine bessere Geschäftsgrundlage mit den Europäern organisieren könnte.

Und das soll ein auch Weckruf sein für die Europäer, dass es gibt Kräfte in Amerika, die manchmal doch sehr kritisch gegenüber Europa sein können und da auch manchen Schmerz ausüben können gegenüber Europa. Wenn die Europäer nicht ein bisschen bessere Lobbyarbeit in Amerika machen und ein bisschen mehr Solidarität zeigen.

Kregeloh:

Das ist ein interessanter Punkt. Also bräuchte es möglicherweise eines stärkeren Europas auch im gemeinsamen Auftreten? Die Gemeinsamkeit von Europa ist glaube ich ein Thema für sich. Also Gemeinsamkeit oder auch nicht Gemeinsamkeit. Am vergangenen Wochenende hat das Handelsblatt ein Interview mit Altkanzler Gerhard Schröder veröffentlicht. Darin warnt dieser vor den Gefahren, die von Trump ausgingen  und sagt, dass Trump mutwillig das regelbasierte Weltwirtschaftssystem zerstöre und dass das Gefährliche an ihn sei, dass er versuche selbst Freunden und Verbündeten vorzuschreiben, was sie politisch und wirtschaftlich zu tun und zu lassen haben. Trump wolle also zugespitzt keine Partner, sondern Gefolgsleute.

Und dann sagte Schröder, er erwarte von einem gemeinsamen Europa klare Kante. So, jetzt habe ich das auch bei Ihnen rausgehört, Herr Dr. Denison, dass sich da Europa auf Dauer positionieren sollte – aber kann das gelingen, kann es überhaupt gelingen, dass Europa gewissermaßen eine dritte politische Kraft wird neben den omnipotenten USA und dem von China dominierten Asien? Vielleicht sogar die Vereinigten Staaten von Europa?

Denison:

Es ist eine wichtige Frage, es ist eine Frage die in Europa und in USA schon seit Jahrzehnten diskutiert worden ist. Ich möchte aber zu Schröder erst was sagen, Putins treuester Oligarch. Es gab nie ein regelbasiertes System. Er bedauert ja, dass es weg ist. Es gab nie ein regelbasiertes System, sondern ein System der amerikanischen Macht, die eine minimale globale Zusammenarbeit unter souveränen Nationen ermöglicht hat. Also von einem regelbasierten System zu sprechen, ohne von den Durchsetzungsmöglichkeiten Amerikas zu sprechen, ist illusorisch und vielleicht gefährlich und in die Irre führend.

Kregeloh:

Ich weiß nicht, ob Sie das sagen wollen oder würden, je nachdem wie Ihre Meinung dazu ist: Muss man sich das so vorstellen, dass aus dieser Sicht Amerikas auf den Rest der Welt auch Europa eher belächelt wird? Und beispielsweise möglicherweise nur China als Gefahr gesehen wird oder selbst China nicht und „God’s own country“ wird sowieso immer alles regeln? Wie ist da so dieses Selbstverständnis?

Denison:

Weil man sagt, es gibt einige Amerikaner die meinen mit Europa könnte man was, wenn die Europäer mal aufwachen würden und aufstehen würden. Es gibt andere Amerikaner, die meinen: die Europäer werden nie diese Einheit finden, um diese Autonomie zu erreichen, sie werden immer abhängig sein und immer mit uns schimpfen. Und es gibt andere Amerikaner die meinen, die Europäer sind sogar gefährlich. Sie führen uns in die Irre mit ihren pazifistischen, ökosozialistischen Falschmodellen. Und es gilt die und deren Kompromissbereitschaft mit allen Schurken der Welt zu vermeiden und nicht diesen Weg zu gehen.

Ja, es gibt also unterschiedliche Meinungen zu Europa in den Vereinigten Staaten. Ich selbst meine, dass dieser Anspruch der europäischen Autonomie oder auch dieser Anspruch von Europa als Dritte Macht, dass das gefährlich ist. Ich denke das ist gefährlich, weil es verkennt wie sehr Europa von der amerikanischen Macht in unserer heutigen Welt abhängig ist. Vom amerikanischen Militär, globale Seewege werden offen gehalten, Satelliten werden nicht abgeschossen, die Flugzeuge auch nicht, Internet funktioniert mehr oder weniger, nuklearer Schutzschirm besteht, so dass nicht jeder europäische Staaten Kernwaffen haben muss – all diese Abhängigkeiten: Ich glaube nicht, dass die zu ersetzen sind für diese kleine, für Europa muss man sagen, kleine, exponierte, verwundbare Halbinsel eines euro-asiatisch-afrikanischen Megakontinents. Und Europa -die Lehren der Geschichte meiner Meinung nach sagen- kann keine Autonomie haben. Es geht nur über eine bessere Partnerschaft mit Amerika, als eine „Pax Atlantica“.

Und da kann Europa natürlich viel mehr machen. Nur mit einer gemeinsamen Stimme zu sprechen würde Europa schon mehr Gewicht in Washington geben. Nur manche europäische Hauptstadt spielt sich gegen die anderen in Washington aus und will „Partner primus inter pares“ sein in Washington. Und Amerika/Washington weiß das auszunutzen, die Eitelkeiten und Selbstsüchtigkeiten der europäischen Nationen.

Kregeloh:

Ist das der Grund warum Sie sagen, es wird nie quasi eine Autonomie Europas geben oder was sonst spricht dagegen aus Ihrer Sicht, dass es so ein autonomes Europa geben könnte? Der Schirm besteht, der Schutzschirm und alles was Sie gesagt haben ist völlig korrekt. Könnte man nicht trotzdem sich davon emanzipieren? Natürlich nicht von heute auf morgen, sondern im Laufe von Jahren und Jahrzehnten? Woher sehen Sie diese Abhängigkeit auf unbegrenzte Zeit nenne ich es mal?

Denison:

Ja, auf unbegrenzte Zeit… weil dieser euro-asiatische Kontinent ist von schwindenden Imperien und scheiternden Staaten geprägt. Korruption bis zum geht nicht mehr, auch noch viel Gewalt und das alles mit einer Gegenmacht auszugleichen – ich sehe das nicht in Europas Fähigkeiten. Weil Europa sich nicht einigen kann, wenn Amerika weggeht, ist es genauso wahrscheinlich das Europa wieder in diese jahrtausendalten Streitigkeiten zurückfällt. Also Autonomie von Amerika erwarte ich nicht. Starke Partnerschaft, mehr Einfluss auf Amerika auf jeden Fall. Eine Unabhängigkeitserklärung von Amerika – es ist gefährlich, das anzustreben.

Kregeloh:

Da steckt ja ein Hauch von Zuversicht drin, dass es so eine geeinte Stimme geben könnte. Aber wem trauen Sie das zu? Wer sollte diese Rolle übernehmen, welches Land vielleicht, welche Person? Natürlich wird immer von Deutschland wegen der Wirtschaftskraft ja als führende Nation gesprochen. Sollte Deutschland da auch eine führende Rolle übernehmen und wenn ja durch wen? Die Kanzlerschaft von Frau Merkel ist ja jetzt schon auch zeitlich begrenzt. Sehen Sie da jemanden danach, der das erfüllen könnte? Ist es Marcon oder wie könnte das geschehen in Ihren Augen?

Denison:

Also als Nachfolger von Merkel würde ich sagen: ich kenne viele Millennials in Deutschland, die mir Mut machen. Die sind pragmatisch, technokratisch, wenig ideologiebelastet. Sie denken global aber wissen auch lokal zu handeln. Also gerade das, was man so für ein fortschrittliches Volk haben will, das auch mit so viel Einfluss und Reichtum in der Welt unterwegs ist.

Deutschlands Rolle war immer kompliziert in Europa. Was kann man heute sagen? Nicht nur ist Deutschland Europas reichste Macht und 9 von 28 EU-Mitgliedern haben nur die Hälfte der Pro-Kopf-Einkommen von Deutschland. Also das haben wir in den USA nicht und das ist ein Problem. Aber wichtiger noch für Deutschland ist zu erkennen, dass keine andere Nation mehr von dieser Nachkriegs-Ordnung profitiert als Deutschland. Also Amerika als Sicherheitsgarant und auch als Markt und Bank für Deutschland.

Kein anderes Land profitiert mehr von dieser Friedensordnung. Aber man könnte sagen: im Vergleich zum Gewinn gibt kein anderes Land weniger für diese europäische Friedensordnung als Deutschland, wenn man die Nettobeiträge aufaddiert und noch Entwicklungshilfe und so weiter und so fort. Da muss man einfach das sehen, dass das Deutschland im Sinne von Ausgaben für Außenpolitik (und das habe ich beim Institut auch erforscht) ist weit hinter seinen Ansprüchen, mehr Verantwortung zu übernehmen. Weit dahinter! Friedensdividende oder wie auch immer man das nennen will. Und solange Deutschland nicht viel mehr investiert in Europas Nachhaltigkeit und Handlungsfähigkeit, werden alle andere Europäer hinter Deutschland sich verstecken. Alle auch in der Annahme „am Ende kommen die Amerikaner, um uns die Kastanien aus dem Feuer zu holen“.

Kregeloh:

Die Millennials, von denen Sie gerade sprachen, denen Sie das zutrauen, künftig anders vorzugehen – sehen Sie die in der Wirtschaft oder in der Politik, wie nehmen Sie das wahr? Denn es nützt ja nichts, wenn sie nicht in der Politik sind. Wenn das System ich sag mal mehr oder weniger wieder die gleichen Köpfe großzieht, die es bisher hervorgebracht hat.

Denison:

Deutschland ist ein sehr innovatives Land und ich würde mir immer erhoffen, dass eine Gesellschaft wirklich in seiner Wertschöpfung entsteht, in seinem Wirtschaften und nicht nur in seiner Staatsform. Da kommt die Innovationsfähigkeit. Aber diese Wirtschaft und Gesellschaft: sie braucht einen Staat. Und sie braucht einen modernen, anpassungsfähigen Staat und die Lehren, die aus der Wirtschaft, auch einer sehr globalisierten Wirtschaft kommen – ich hoffe die werden in Deutschlands Regierungsstil auch gespiegelt werden zunehmend in der Zukunft. Ich sehe jetzt ein Dissonanz zwischen einer sehr globalisierten deutschen Wirtschaftskultur und dann etwas provinzieller deutscher politische Kultur.

Kregeloh:

Und noch einmal: wo nehmen Sie die Zuversicht her, dass sich das ändert? Wer soll es richten?

Denison:

Ja, weil am Ende muss man erkennen, dass ohne gute Politiker läuft es auch nicht in der Wirtschaft. Die Politik ist da, um die öffentlichen Güter zu schützen, um die internationale Zusammenarbeit besser zu organisieren – und vor allem: ich komme zurück zu Aktion und Reaktion in der Politik. Merkel war eine Reaktion auf Schröder. Er war Passion, Leidenschaft und Pathos und sie war nüchtern und kühl. Aber sie konnte die Herzen nicht bewegen. Und wenn Deutschland wirklich motiviert sein soll, mehr für Europa und mehr für die Welt zu tun, dann müssen die Herzen dabei sein. Es kann nicht nur ein kaltes Kalkül sein, dass es langfristig in unserem Interesse ist. Sondern man muss ein Gefühl der Solidarität und Mitmenschlichkeit haben mit den anderen Europäern und den anderen gobalen Bürgern und letztendlich auch mit den Amerikaner.

Denn: Wer auch immer Chef ist in Amerika: es gibt nichts was wichtiger ist für Deutschland, als mit diesen Amerika fertig zu werden. Mit denen arbeiten als schwierige Partner, aber trotzdem als Partner und Freund zu arbeiten!

Kregeloh:

Das ist ein sehr schönes Schlusswort wie ich finde und eine gute Basis für unsere künftigen Gespräche in dieser Podcast Serie, weil es genau ja darum geht diese transatlantische Beziehungen, das was diesseits und jenseits des Atlantiks passiert zu analysieren. Ich freue mich schon darauf, das mit Ihnen gemeinsam zu tun und bin auch sicher, dass wir daraus interessante, greifbare und auch wirklich in der Realität nutzbare Erkenntnisse für unsere Zuhörerinnen und Zuhörer schaffen.

Herr Dr. Denison, herzlichen Dank für dieses Gespräch und bis zum nächsten Mal!

Dension:

Mir war es ein großes Vergnügen, danke schön.

Kregeloh:

Ganz herzlichen Dank.

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